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Bundesgerichtshof stärkt Patientenrechte – auch unterlassene Kommunikation des Arztes kann einen groben Behandlungsfehler darstellen

Mit einem Urteil vom 26.06.2018 hat der Bundesgerichtshof die Rechte eines Patienten gegenüber seinem Arzt gestärkt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist insofern interessant, da der Bundesgerichtshof ausdrücklich auch Ärzte in die Pflicht nimmt, zu denen kein aktuelles Behandlungsverhältnis mehr besteht. Selbst solche Ärzte können verpflichtet sein, Kontakt zu den ehemaligen Patienten aufzunehmen, wenn Sie Kenntnis über bedrohliche Befunde erlangen.

Was war passiert?

Der Patient hatte Schmerzen im linken Bein und Fuß und wurde von seiner Hausärztin in die anderweitige, fachärztliche Behandlung weiter verwiesen.

Im weiteren Verlauf zeigte ein MRT eine Geschwulst in der linken Kniekehle.

Es kam letztlich, ohne dass die Hausärztin von der radiologischen Bildgebung Kenntnis erlangte, zur Entfernung der Geschwulst im Rahmen eines Klinikaufenthalts.

Aus dem Krankenhaus erhielt dann die Hausärztin wieder eine Mitteilung, wonach die histologische (feingewebliche) Untersuchung des entnommenen Gewebes noch nicht abgeschlossen sei.

Rund zwei Monate später erhielt die Hausärztin des Patienten einen weiteren Brief des Krankenhauses mit der Information, dass es sich bei der Geschwulst um einen bösartigen Tumor gehandelt habe. Die Hausärztin wurde durch das Klinikum in diesem Brief gebeten, den Patienten in einem onkologischen Spezialzentrum vorzustellen.

Eine Weiterleitung dieses Schreibens an den Patienten durch die Hausärztin oder auch nur eine sonstige Information an den Patienten, geschweige denn eine Einbestellung des Patienten erfolgte nicht.

Erst als sich der Patient und 1 1/2 Jahr später wegen einer anderen Problematik wieder bei seiner Hausärztin vorstellte, kam das Gespräch auf den Befund des bösartigen Tumors. Erst jetzt wurde veranlasst, dass der Patient in einer Universitätsklinik spezifisch weiterbehandelt wurde.

Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass die Hausärztin verpflichtet gewesen ist, den Patienten über den bedrohlichen Befund in Kenntnis zu setzen. Sie durfte nicht davon ausgehen, dass der Befund außer an sie auch noch an andere Ärzte, beispielsweise an die behandelnden Fachärzte, übermittelt wurde; zumal die Hausärztin auf den Befundbericht als einzige Adressatin genannt war.

Der Bundesgerichtshof hat ferner festgestellt, dass diese Unterlassung nicht nur einen Behandlungsfehler darstellt, sondern möglicherweise sogar einen groben Behandlungsfehler. Diese Überprüfung müsse die Vorinstanz, welche dies noch unterlassen hatte, nachholen.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil ferner die Rechtsauffassung vertreten, dass ein Arzt auch dann sicher zu stellen hat, dass der Patient von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden Kenntnis erhält, wenn das Behandlungsverhältnis zu dem betreffenden Arzt bereits beendet ist. Insoweit treffe den Arzt, so der Bundesgerichtshof, eine nachwirkende Fürsorgepflicht aus dem Behandlungsverhältnis.

Mit dem Urteil stärkt der Bundesgerichtshof die Rechte von Patienten, zumal unterschiedliche Gerichte bei ähnlich gelagerten Konstellationen in der Vergangenheit zu uneinheitlichen Ergebnissen und Auffassungen gekommen waren.